SUSTAINABLE FINANCE: VON DER NISCHE ZUM MEGATREND

 

Der 6. Marktplatz für Nachhaltige Investments zeigt wie Nachhaltigkeit zu einer Strategiefrage für alle wird

Sustainable Finance ist in aller Munde. In Europa hat der 2018 publizierte EU Action Plan für Furore gesorgt. Die Bundesregierung installiert einen Beirat Sustainable Finance. Auf unserem Kontinent verlässt die Idee nachhaltiger Finanzen aktuell mit Macht die Nische.

Bis vor Kurzem war es Investment-Pionieren vorbehalten, das Thema praktisch voranzutreiben. Viele dieser Pioniere waren und sind Überzeugte. Sie sind hochmotiviert für die Idee, dass Nachhaltigkeit neben technischen und anderen Mitteln auch eine Umlenkung von Finanzströmen braucht.

Wie bei allen großen Entwicklungen muss es einen Zeitpunkt geben, an dem die Idee der Pioniere zum Interesse der Mehrheit wird. Zu diesem Zeitpunkt springen reihenweise Akteure auf den Zug auf, weil sie spüren, dass sich die Rahmenbedingungen für Geschäftsmodelle verändern und weil damit die Idee mehr als nur eine Idee wird. Es liegt plötzlich im harten Interesse vieler, diese Idee aufzugreifen.

Sustainable Finance wird damit neben einer Überzeugungsfrage zu einer Strategiefrage für jeden, sowohl für Investoren, wie für Anbieter und für Berater.

Am 05. September 2019 zeigt der 6. Marktplatz mit spezialisierten Investmenthäusern und den führenden Fachverbänden, was gerade passiert und welche Relevanz Sustainable Finance für Akteure der Finanzbranche und Investoren hat. Der Marktplatz, gegründet von der Qualitates GmbH, begleitet diese Entwicklung seit 2013. In diesem Jahr findet er erstmals im Rahmen der FAIR FRIENDS und veranstaltet durch die Messe Dortmund statt.

Auch Stiftungen werden auf dem Marktplatz auf dem Weltethos-Stiftungsforum Nachhaltige Investments gezielt angesprochen, sich diesem Thema verstärkt zuzuwenden.​

Schließlich lädt die Future of Fair Finance zu einer hochkarätigen Veranstaltung am Vortag ein.
​Was hat dazu geführt, dass Sustainable Finance heute zu einer Strategiefrage für alle wird und warum kann man sich sicher sein, dass diese Entwicklung unumkehrbar ist? Zwei große Entwicklungen sind dafür ausschlaggebend.

Erstens: Nachhaltigkeit befördert in der Regel den Investmenterfolg

In den letzten Jahren wurde in vielen Studien gezeigt, dass sich Risk-Reward-Verhältnisse durch Nachhaltigkeitsfilter meist nicht verschlechtern und oft sogar verbessern. Damit gibt es investmenttechnisch keine grundsätzlichen Motive mehr, Nachhaltigkeit zu meiden.

In diesem Kontext hat sich das Angebot für nachhaltige Investments in den letzten ca. 10 Jahren bereits deutlich ausgeweitet. Dennoch stehen die meisten Häuser erst am Anfang. Viele Häuser reagieren gerade mit Produkten, die mehr oder weniger ESG beinhalten. Aber heute will kein Anbieter mehr am Seitenrand bleiben. Einige versuchen noch, das Phänomen abzutun, indem sie Nachhaltigkeit vor allem aus dem G in ESG deuten und so probieren, diesen Trend als klassische Investorenfragen nach der Governance von Unternehmen einzuordnen. Solche Manöver zeigen sich heute bereits als kurzsichtig. Dies war vor 5 Jahren noch anders. Doch spätestens mit der Verbreitung der SDGs, die international und auf völkerrechtlicher Ebene parallel zu einem wachsenden Markt Investmentchancen zu einer globalen Aufgabe gemacht haben, war eine solche Argumentation obsolet.

Die Entwicklung läuft seit Jahren konstant in eine Richtung, nämlich zu mehr Volumen in ESG-gescreenten Portfolien und zu immer differenzierteren Ansätzen.


Zweitens: Die Staatengemeinschaften beginnen, die Rahmenbedingungen des Marktes zu verändern

Berater und Investoren sind auch deswegen gut beraten, sich über den Megatrend Nachhaltigkeit zu informieren, weil nun neue Akteure auf den Plan treten, die die Rahmenbedingungen des Marktes gerade verändern: Staaten und Staatengemeinschaften. Spätestens mit dem Pariser Klimagipfel 2015 und der Proklamation des 1,5-Grad-Zieles musste jedem aufmerksamen Beobachter klar sein, dass der Zug in diese Richtung rollt und Fahrt aufnimmt.

In der EU und auf Ebene der G20 sind hier vor allem folgende Projekte und Task Forces zu nennen:

  • Die 2016 eingesetztes High Level Expert Group (HLEG) hatte die Aufgabe, der Europäischen Kommission einen Bericht vorzulegen, der die zentralen Herausforderungen und Chancen von Sustainable Finance aufzeigt und zugleich ein umfassendes Reformprogramm formuliert. Der finale Bericht der HLEG (LINK https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/180131sustainable-finance-final-report_en.pdf) wurde im Januar 2018 vorgelegt. Er mündete im „Action Plan: Financing Sustainable Growth“ (LINK https://eurlex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52018DC0097), mit dem sich die Europäische Kommission am 08. März 2018 an das EU Parlament und andere führende europäische Institutionen wie den Rat und die Europäische Zentralbank wendet. Darin wird unter anderem empfohlen, auf EUEbene eine gemeinsame Taxonomie zu formulieren, mit der bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig identifiziert werden können. Weiter wird angemahnt, dass Investoren Pflichten für ihr Handeln wie auch Transparenzpflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit auferlegt werden sollen. Für die Beratung und das gesamte Retailgeschäft wird empfohlen, dass Standards für Nachhaltigkeit eingeführt werden.
  • Weiter ist die Task Force on ClimateRelated Financial Disclosures (TCFD) der G20 zu nennen. Diese Task Force hat in 2017 Empfehlungen (LINK https://www.fsbtcfd.org/publications/final-recommendations-report/) ausgesprochen, wie der KlimaImpact und darauf bezogene Maßnahmen von Unternehmen im Markt offengelegt werden sollten, um Investoren klare Entscheidungsgrundlagen zur Einschätzung von Risiken und Chancen zu geben. Die HLEG hat empfohlen, die in der TCFD erarbeiteten Vorschläge zügig in die Praxis umzusetzen. Die Task Force updatet ihre Empfehlungen in jährlichen Statusreports kontinuierlich weiter (LINK https://www.fsbtcfd.org/).
  • Im Juli 2018 setzte die Europäische Kommission die Technical expert group on sustainable finance (TEG) ein. Ihre Aufgabe besteht darin, die von der HLEG empfohlene Taxonomie (s.o.) auszuarbeiten, Green Bond Standards weiterzuentwickeln und Methoden für EU KlimaBenchmarks und Standards für das Corporate Disclosure (Offenlegungspflichten für Unternehmen) auszuarbeiten. Im Juni 2019 wurde nun der Taxonomy Technical Report (LINK https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190618sustainable-finance-teg-report-taxonomy_en.pdf) vorgestellt, mit dem ein System zur Klassifizierung wirtschaftlicher Aktivitäten vorliegt. Im ersten Schritt stehen hier die Themen Abmilderung des Klimawandels und Anpassungen an den Klimaveränderungen im Fokus. Taxonomien für weitere Gebiete wie Kreislaufwirtschaft und Schutz von Ökosystemen sollen folgen. Die nun vorliegende Taxonomie ist geeignet, um Investments hinsichtlich ihrer Klimawirkungen zu klassifizieren. Sie soll einen Beitrag leisten, um privates Kapital für nachhaltige Aktivitäten zu mobilisieren. Und sie bildet eine Grundlage für europäische und nationale Standards und Siegel.
  • Auf deutscher Ebene ist vor allem die Einsetzung des Beirats für Sustainable Finance am 06.06.2019 zu erwähnen. Das Bundesministerien für Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Umwelt (BMU) beschreiben die Aufgabe in ihrer Pressemitteilung wie folgt: „Der Beirat soll die Bundesregierung bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Sustainable FinanceStrategie beraten, bestehende Expertise bündeln und den Dialog zwischen den relevanten Akteuren fördern. Unter Sustainable Finance (nachhaltige Finanzen) versteht die Bundesregierung die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Entscheidungen der Finanzmarktakteure.“

Insgesamt ist festzuhalten, dass Nachhaltigkeit, Rendite und Risikomanagement heute keine Gegensätze mir sind, sondern im Gegenteil Hand in Hand gehen. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMU, formuliert: „Unternehmen, die sich ökologische soziale Auflagen setzen, mindern Investitionsrisiken und werden dadurch auch finanziell erfolgreicher. Nachhaltigkeit ist eine Chance, neue Wege zur Wertschöpfung zu erschließen.“

​Bochum, 22.07.2019

Dr. Marcel Malmendier, Geschäftsführer Qualitates GmbH